Der anstrengende Fellwechsel

Zweimal im Jahr durchlebt jedes Pferd einen anstrengenden Fellwechsel. Im Frühjahr wird das Winterfell durch das Sommerfell abgelöst. Umgekehrt ist der Herbst die Jahreszeit, in dem das Sommerfell dem Winterfell Platz machen muss. Der Fellwechsel beginnt jedes Mal schon sehr früh. Wenn bereits im August die ersten kalten Nächte auftreten und die Tage kürzer werden, stellt sich der Stoffwechsel auf die allmähliche Veränderung des Fells ein. Die ersten feinen Haare des Sommerfells fallen dann bereits aus. Nach mehreren Wochen ist das Winterfell angelegt, welches das Pferd in der kalten Jahreszeit vor der Kälte schützt. Der Wechsel des Winterfells auf das Sommerfell wird dann bereits Ende Januar ( nicht sichtbar bereits mit der Wintersonnenwende ) vorbereitet und ist gegen Ende April oder Anfang Mai abgeschlossen. Der Fellwechsel wird hauptsächlich durch Änderung der Sonneneinstrahlung, aber auch der Temperatur und der Witterung ausgelöst.

Fellwechsel – eine haarige Sache in mehr als einer Hinsicht

Fellwechsel
Bild von Cindy Braun

Abgesehen davon, dass jeder Reiter beim Striegeln das Gefühl hat, beim Abwerfen des Winterpelzes kommen von einem Pferd so viele Haare zusammen, dass man drei Pullover daraus stricken könnte, ist das eine schwierige Zeit im Stall. Denn beim Fellwechsel geht es um deutlich mehr als darum, das Zuviel an Haaren vom Winterpelz im Frühjahr loszuwerden und den Sommerpelz im Herbst so aufzustocken, dass er sich rechtzeitig zu den ersten kalten Tagen wieder in einen Winterpelz verwandelt.

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Und schwupps hat man ein weiteres Pony :-) Bild von Ulrike Balzer

Fellwechsel geht vor allem unter die Haut

Nur ganz kurz soll sich dieser Artikel mit den Äußerlichkeiten des Fellwechsels befassen.  Beginnen wir damit, uns ein Haar anzusehen: Haare von Säugetieren zählen zu den sog. Hautanhangsgebilden. Sie sind alle nach ein und demselben Grundbauplan zugeschnitten: Haarwurzel >>> Haarschaft >>> Haarspitze. Haare sind komplizierte Strukturen. Die Haarwurzel liegt in der Lederhaut und enthält ein Blutgefäß zur Versorgung; der Haarschaft befindet sich in einer Einstülpung der Oberhaut, verfügt über eine Talgdrüse zum Fetten sowie einen dort ansetzenden Muskel, damit sich einem die Haare auch wirklich sträuben können. Die mehrheitlich aus Faserproteinen (Keratin) bestehende Haarspitze des in sich mehrschichtigen Haares hängt über der Haut sozusagen „im Freien“.

Im Fellwechsel werden Millionen solcher Haare abgestoßen oder neu gebildet. Kein Wunder, dass das den gesamten Organismus eines Pferdes physisch und psychisch in Mitleidenschaft zieht. Der Fellwechsel betrifft mittelbar oder unmittelbar deshalb alle Organe und kann sich stark auf Leistungsfähigkeit, Immunsystem und nicht zuletzt auf das Gemüt des Vierbeiners auswirken.

Im Fellwechsel / im Stimmungstief

Pferde spüren im Frühjahr oder zum Ende des Sommers oft schon den nahenden Fellwechsel, bevor sich in ihrem Haarkleid Änderungen zeigen. Auch Pferdebesitzer bemerken in dieser Vorphase, in der physiologisch schon allerlei Weichen im Stoffwechsel gestellt sind, um die Haut zu den nötigen Veränderungen zu befähigen: „Mein Pferd ist anders.“ Das mag sich in einer gewissen Überempfindlichkeit äußern, darin, dass die Leistungsbereitschaft nachlässt, in Desinteresse, wo sonst gespitzte Ohren zu sehen waren, in einem ungewohnt mürrisch wirkenden Wesen oder auch in einer angespannten Nervosität, um ein paar Beispiele zu nennen.

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Humor ist bei so viel Fell ganz wichtig :-) Bild von Ulrike Balzer

Liebe Pferdehalter: Habt Verständnis! Euer Pferd ist dann intensiv damit beschäftigt, sich „umzuziehen“, der Körper arbeitet hart. Das hat auch Auswirkungen auf die Psyche, denn ein Pferd kann sich im Fellwechsel ständig müde und angegriffen fühlen. Zudem mag in Einzelfällen der Juckreiz, der mit dem Fellwechsel verbunden ist, stressen. Daher bitte viel Verständnis zeigen, unbedingt den Trainingsplan entsprechend anpassen. Regelmäßiges Bürsten kann den Fellwechsel unterstützen.

Der Fellwechsel - ein enormer Kraftaufwand für den Stoffwechsel

Der Fellwechsel ist immer sehr anstrengend für das Pferd. Der gesamte Stoffwechsel wird durch dieses Ereignis sehr stark in Anspruch genommen. Denn während das alte Fell abgelegt wird, müssen genügend Nährstoffe und Energie für die Bildung des neuen Fells bereitgestellt werden. In dieser Zeit steigt der Nährstoff-, Vitamin- und Mineralbedarf des Pferdes erheblich an. So führt Mangelernährung zu Störungen des Fellwechsels. Wie bereits erwähnt, besteht das Fell aus dem Protein Keratin. Daher besitzt das Pferd einen erhöhten Eiweißbedarf.
Besonders ältere und kranke Pferde leiden während der Zeit des Fellwechsels. Sie sind oft nicht mehr ausreichend in der Lage, aus dem Nahrungsangebot die Nährstoffe, Vitamine, Spurenelemente und Mineralien effektiv zu nutzen. Das liegt unter anderem an der unzureichenden Resorption der Nährstoffe durch den Darm, der schlechten Zerkleinerung des Futters durch fehlende Zähne und an dem ohnehin erhöhten Nährstoffbedarf alter und kranker Tiere. Zusätzlich schwächt der Fellwechsel auch das Immunsystem der Pferde, was im Übrigen auch für gesunde Tiere gilt. Aber bereits vorerkrankte oder alte Pferde können dem nichts entgegensetzen. In dieser Zeit wächst auch das Risiko, an Infektionen der Atemwege zu erkranken.
Der hohe Energiebedarf führt bei vielen Tieren während dieser Zeit außerdem zur Abmagerung. Bestehende Beschwerden wie Hauterkrankungen, Entzündungen, Gelenk- und Knochenerkrankungen oder andere verstärken sich. Das kann dazu führen, dass der Fellwechsel nur sehr schleppend abläuft oder ganz ausbleibt.
Junge, gesunde und ausreichend versorgte Pferde überstehen diese Zeit problemlos. Voraussetzung ist aber die richtige Haltung und Ernährung der Tiere. Das Winterfell soll das Pferd vor der Winterkälte schützen. Gleichzeitig senkt es den Energiebedarf durch den Wärmeverlust an kalten Tagen. Wenn das Fell jedoch nicht ordentlich ausgebildet ist, muss zusätzlich noch mehr Wärme produziert werden. Das belastet den gesamten Organismus sehr schwer.

Im Fellwechsel = im Immuntief

Die Tatsache, dass der Fellwechsel eine große Energie- und Syntheseleistung auf vielen Ebenen im Organismus eines Pferdes verlangt, hat Konsequenzen für das Immunsystem: Es sackt häufig in seiner Leistungsfähigkeit rund um die Zeit des Fellwechsels deutlich ab. Erschwerend kommen die heutigen Haltungsbedingungen für Pferde hinzu, die Infektionen (auch mit Parasiten) begünstigen. Viele Pferde leben in modernen Ställen – selbst bei einer Offenstallhaltung – dicht beisammen. Sie husten und niesen sich gegenseitig etwas vor. Und leider ist oftmals auch nicht für ausreichend frische Luft gesorgt und Fenster und Türen bleiben in der kalten Jahreszeit geschlossen.
Trotz aller Bemühungen, gut abzuäppeln, bleiben Rückstände vom Kot als Infektionsrisiko für die Stallgenossen liegen. Gerade in Jahren mit strengen Wintern steigt deshalb die Zahl der Infekte zur Zeit des Fellwechsels in einer Stallgemeinschaft ziemlich regelmäßig an. Der Fellwechsel stellt vor allem für chronisch kranke Pferde, also Individuen, deren Immunsystem grundsätzlich schon angegriffen ist, eine extreme gesundheitliche Herausforderung dar. Sie müssen besonders sorgfältig beobachtet und behandelt werden.

Welche Maßnahmen können den Fellwechsel effektiv unterstützen?
Jede Verzögerung des Fellwechsels schwächt das Immunsystem und zehrt an den Reserven des Pferdes. Einen großen Stellenwert besitzt auch die Qualität des Futters. Qualitativ schlechtes Futter kann besonders in Zeiten des Fellwechsels verstärkt zu Erkrankungen führen, die auch chronisch werden können.

Was ist bei der Fütterung zu beachten?
Bei der Fütterung während des Fellwechsels sollten besonders folgende Aspekte beachtet werden:

1. Das Pferd besitzt einen erhöhten Nährstoffbedarf.
2. Die Zufütterung von Omega-3-Fettsäuren ist wichtig.
3. Die Futterqualität muss stimmen.
4. Synthetische Zusatzstoffe sind möglichst zu vermeiden.
5. Aufwendige chemische Kuren ( Impfung, Wurmkur ) sollten während des Fellwechsels möglichst nicht durchgeführt werden.

Nährstoffbedarf
Zum Aufbau des neuen Fells benötigt der Organismus hochwertige Proteine, die über das Futter zugeführt werden müssen. Des Weiteren ist auch der Energiebedarf erhöht, der in Form von Kohlenhydraten und Ölen bereitgestellt wird. Gleichzeitig sind für das Fellwachstum außerdem verschiedene Spurenelemente notwendig. Das gilt besonders für Zink. Zink ist Bestandteil von verschiedenen Enzymen, die für die Bildung von Keratin, dem Grundbaustoff für das Fell, verantwortlich sind. Gleichzeitig unterstützt es neben den Spurenelementen Selen, Kupfer und Mangan sowie den B-Vitaminen Folsäure und Biotin das Zell- und Haarwachstum. Des Weiteren besteht auch ein erhöhter Bedarf an Vitamin E, Magnesium, Schwefel und Silizium. Der Nährstoffbedarf kann durch Kräutermischungen ausgeglichen werden.

Die Darmgesundheit rund um den Fellwechsel besonders fördern! Der Darm als „Hauptquartier“ der Immunabwehr sollte durch entsprechendes Futter gepflegt und entlastet werden, damit Infektionen, gleich welcher Art, möglichst keine Chance bekommen und Entgiftungsprozesse stetig ablaufen. Bei chronisch kranken Pferden besonders früh prophylaktisch in eine individuell angepasste Ergänzungsfütterung einsteigen!

Zusatz von Ölen
In der Regel werden die Pferde beim Weidegang ausreichend mit Omega-3-Fettsäuren über das Grünfutter versorgt. Im Winter wird es allerdings schwieriger, diesen Bedarf zu decken. Die Omega-3-Fettsäuren hemmen die Entzündungsprozesse im Körper und verhindern so Verzögerungen beim Fellwechsel. Zur Unterstützung der Gesundheit beim Wechsel vom Winter- zum Sommerfell ist daher die zusätzliche Gabe von Lein- oder Hanföl zu empfehlen.

Futterqualität
Bei der Futterqualität ist besonders darauf zu achten, die Schimmelpilzbildung zu verhindern. Schimmelpilze entwickeln Gifte, die in starkem Maße die Leber schädigen und langfristig auch den Fellwechsel stören. So sollte immer Rohfaserfutter von bester Qualität verfüttert werden.

Zufütterung
Bei der Zufütterung sollte auf Fertigfutter mit synthetischen Zusatzstoffen wie Konservierungs- oder Aromastoffe verzichtet werden. Vielmehr ist der Einsatz von natürlichen Kräutern mit einem hohen Gehalt an Zink, Selen, Kupfer, Mangan sowie verschiedenen Vitaminen zu empfehlen.

Chemische Kuren ( Impfung, Wurmkur )
Da der Stoffwechsel während des Fellwechsels stark belastet wird, sollte auch auf die Anwendung aufwendiger Wurmkuren oder Impfungen verzichtet werden. Die dabei angewendeten Chemikalien würden den Stoffwechsel noch zusätzlich beeinträchtigen.

Kranke und alte Pferde bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit, da bei ihnen der Fellwechsel problematisch sein kann. Das erfordert oft eine spezielle Futtervorbereitung und den Einsatz von nährstoffreichem Zusatzfutter. Wenn der Fellwechsel überhaupt nicht klappt ( Stoffwechselstörungen, ECS-Cushing etc. ), ist eine medizinische Untersuchung und Behandlung durch den Tierarzt notwendig.